
SUCRE EINMAL ANDERS ERLEBEN & HAUTNAH
Samstag, 24.11.2018
Sucre
MEIN MOTTO FÜR HEUTE:
NICHT LANGE ÜBERLEGEN, EINFACH TUN!
MANCHMAL DARF MAN NICHT ZU LANGE NACHDENKEN! MAN HINDERT SICH SELBER DARAN, ERFAHRUNGEN ZU SAMMELN UND SIE KÖNNEN JA DURCHAUS POSITIV SEIN UND ZUM ERLEBNIS WERDEN, DIE EINEM DAS LEBEN AUS EINEM ANDEREN BLICKWINKEL SEHEN LÄSST!
Frühstück mit Sonnenschein – der Ruf nach Hause – Kirche Santa Clara – Folklorevorführung im Kulturhaus – die älteste Strasse Callejon Santa Teresa in Sucre oder wo sind die Knochen? – Erkundung der Altstadt und ihr kolonialer Charme – auf der Plaza de 25 de Mayo oder auf der Suche nach den passenden Fotomotiven – Marktleben pur – Mittagessen mit fabelhafter Aussicht – bald ein Ausflug aufs Land? – Treffpunkt Kathedrale oder Süddeutschland Ahoi – über den Dächern von Sucre oder das Kloster San Felipe de Neri – auf der Suche nach den Hexern im Nirgendwo – Kinderchor – Essen hält Leib & Seele zusammen, wirklich? – relaxen
Das tat gut – ausschlafen! Um 9 Uhr ein herrliches Frühstück im Garten meines Hostals bei endlich wieder tollen Sonnenschein! Leckere Früchte, Porridge mit Bananen, frischen Brötchen – und Tee mit Milch, ganz englisch eben. So ausgiebig gefrühstückt habe ich schon lange nicht mehr. Ich geniesse das in vollen Zügen!
Nachdem ich gestern nicht fotografiert habe wegen dem grauen Wetter, schiesse ich jetzt erst mal los um das Ganze nachzuholen. Mein Weg führt mich direkt zur Kirche gegenüber, der Santa Clara und dann zum Kulturhaus, aus dessen Pforten Folkloremusik klingt, und tatsächlich finde ich dort eine Vorführung von Kindern, die gerade eine typische bolivianische Tanzvorführung in ihren Trachten preisgeben. Einfach Wahnsinn, was für ein Talent die Kleinen schon in jungen Jahren haben.
Als die kurze Aufführung für ihre Eltern fertig ist, führt mich mein Weg zur ältesten Strasse von Sucre, der Strasse Callejon Santa Teresa mit dem gleichnamigen Kloster. Die mit Kopfstein gepflasterte Strasse ist deswegen auch so bekannt, weil zum Pflastern der Strasse auch menschliche Knochen benutzt worden – schon ein seltsames Gefühl, wenn man über Knochen geht.
Der zentrale Mittelpunkt von Sucre ist der Platz des 25. Mai. Hier fand 1809 am 25. Mai die erste Demonstration gegen die spanische Kolonialmacht statt, wo Bolivianer ihre Unabhängigkeit einforderten. Um diesen Platz befinden sich die wichtigsten kolonialen Gebäude wie die Kathedrale, das Rathaus, die Polizeihauptwache, einige Museen und vieles mehr. Alles aus dem 18. Jahrhundert mit einem Hauch von Architektur wie Paris dazumal. Den Hauptplatz nenne ich auch den Puls der Stadt, denn hier spielt sich wirklich alles ab, egal ob bei Tag oder Nacht ist auf dem riesigen, Palmen & Bäumen bestandenen Platz immer die Hölle los. Seien es Familien, Liebespärchen, Vorführungen, fliegende Händler, Musiker, Demos und vieles mehr. Ich lichte die koloniale Pracht Sucres ein, die so einmalig ist, dass sie eigentlich kaum eingefangen werden kann. Kein Wunder die Stadt ist Unesco Weltkulturerbe. Mich begeistern auch die Bolivianer, die zum grössten Teil noch in ihren typischen Trachten durch die Gegend ziehen – das lässt mich echt wie in Bolivien fühlen, selbst wenn das Umfeld dieser prachtvollen Stadt irgendwie nicht ganz dazu passt.
Mein nächster Weg ist der Markt. Gestern ohne Teleobjektiv, habe ich mir heute vorgenommen, mit viel Ruhe und Gelassenheit das Marktleben zu erforschen und die passende Motive einzufangen. Man braucht ganz schön Geduld und darf sich nicht davor scheuen, teilweise um Erlaubnis zu fragen, einen Schnappschuss zu tätigen. Mit vielen komme ich vorher ins Gespräch und bitte dann um ein OK. In Bolivien drehen sich die Leute schon weg, wenn sie sehen, dass Du eine Kamera in der Hand hast! Da hat man schon ohne Fragen direkt die Antwort. Ich bin generell erstaunt, dass ich so gut wie keine Touristen auf dem Markt sehe, auch den Tag vorher war das nicht der Fall. In Peru ist mir das auch schon aufgefallen. Vielleicht ist der Tourist schon von den Märkten weltweit gesättigt und sieht es als nichts mehr Besonderes? Für mich gehört immer ein Marktbesuch dazu, egal wo ich bin. Märkte geben einfach so viel vom Leben eines Landes preis, nicht nur das, auch sämtliche Menschenschläge und Kulturen sind hier vertreten und geben einfach einen Einblick! Für mich unverzichtbar! Ich kann mich Stunden hier aufhalten, einfach irgendwo hinsetzen und abwarten. Manchmal probiere ich auch Leckereien und vor allem die Saftstände sind eine totale Wucht, wo man immer die besten Säfte bekommt!
Nach einer guten Stunde habe ich genug und ich brauche eine kleine Ausschnaufspause und was Richtiges zu essen – die Probiererei von Gebäck macht auch nicht satt. Ich entdecke eine Tafel mit dem Angebot eines Mittagsmenus und folge dem Schild. Der Weg führt mich in ein Lokal, das sich im 3. Stock befindet und erstaunlicherweise auf dem Dach des Gebäudes ist und einen herrlichen Panoramablick auf die Umgebung dieses Stadtteiles gibt und die Berge, die Sucre umgeben. Der Wahnsinn, vor allem bei dem strahlendblauen Himmel! Ich bitte einen jungen Herrn, ein Foto von mir vor einem Glockenturm einer Kirche zu schiessen. Wie es sich herausstellt, ist er der Besitzer des Lokals.
Wir kommen ins Gespräch und ich frage ihn, wo man denn hier noch die alten Traditionen vor der Kolonialisierung, die Anbetung von Pachamama (Muttererde) findet. Sprich Hexer, die noch andere Götter anbeten und nicht unsere Religion ausüben. Er ist erstaunt aber auch gleichzeitig begeistert, dass ich mich dafür interessiere, gibt mir blitzschnell Antwort und schreibt mir auf, im welchen Viertel dieser Stadt ich sie hauptsächlich finde. Gut zu wissen, solche Menschen sollte man immer gleich noch mehr fragen, wer weiss was er noch alles weiss.
So frage ich ihm auch, wie ich am besten nach Portolo komme und ob es sich wirklich lohnt, da man dort noch angeblich ethnische Minderheiten finden soll. Begeistert bittet er mich Platz zu nehmen, stellt mich seiner Frau Adriana vor und nimmt plötzlich seinen Laptop zur Hand, um mir Fotos von der Umgebung dort zu zeigen. Das hätte ich nicht erwartet – Wow! Bald darauf weiss ich, was sich alles in der Umgebung befindet. Von Natur Highlights bis über verschiedene ethnische Völker, Webkunst etc.
Als er mein grosses Interesse sieht, bietet er mir an, mich am Montag mit seiner Frau Portolo und die Umgebung zu zeigen – einfach so. Seine Frau und er hätten sich mal wieder eine Auszeit verdient! Das glaub ich jetzt nicht! Sie meinen sogar ich könnte noch Freunde mitbringen! Ich bin sprachlos und offeriere ihm Unterstützung für sein Lokal bezüglich Werbung usw. Wir verbleiben bei Montag. Da bin ich aber mal gespannt!
16 Uhr. Wie doch die Zeit vergeht! Ich will jetzt Ursel aus Süddeutschland zu treffen. Die nette Dame, die ich bereits in Santa Cruz kennengelernt habe. Sie ist seit heute auch in Sucre und wir wollen zusammen noch ein wenig die Stadt erkunden. Der erste Weg führt uns in das Kloster San Felipe de Neri. Es ist bekannt für seinen Kreuzgang und seinen einmaligen Ausblick über die Stadt. Auf den Dächern des Klosters stolpern wir etwas verunsichert zum Glockenturm, den das alles sieht nicht gerade „tragend“ aus. Als wir die Wendeltreppe nach oben gehen, stellen wir fest, dass die Plattform des Glockenturms aus morschem & feuchtem, modrigen Holz besteht und beschliessen unsere Panoramafotos von der letzten Stufe der Wendeltreppe aus zu schiessen – schliesslich wollen wir nicht auf der Titelseite Bildzeitung stehen mit dem Vermerk „Süddeutsche Damen in einem Glockenturm in Sucre, Bolivien, eingebrochen“.
Bis wir das Kloster verlassen ist es aus die Maus mit Besichtigungen – alles was man noch sehen könnte, hat bereits geschlossen und wir beschliessen, die Hexer aufzusuchen. Auf den Weg dorthin, der recht steil ansteigt, geht uns jedoch bei 2700 m Höhe der Atem aus. Wir halten einen 30 Jahre alten Oldtimer Taxi – einen Mercedes! an, der uns dahin bringt. Der Fahrer ist ganz stolz auf seine Karre, der schon in alle Einzelteile verfällt aber wir kommen sicher ans Ziel. Am Ziel selber will uns jedoch keiner verstehen, was wir eigentlich wollen…seltsam. Der Lokalbesitzer hat mich auf Anhieb verstanden und hier stellt man sich dumm? Wir stellen fest, dass sich in dieser Umgebung ein Strassenmarkt befindet und schlendern durch den Markt. Eine ältere Dame weißt uns dann den Weg zu einer Strasse, wo Naturmedizin und sonstigen Krims Krams verkauft wird und auch dort schüttelt man nur den Kopf, als wir nach Hexer fragen. An einem Stand mit wirklich seltsamen Heilkräutern und schrecklich aussehenden, getrockneten Viechern, versuchen wir es noch einmal. Die junge Frau des Standes lacht mich an und fragt: Wieso? Wollt ihr jemand umbringen? Ich meine nur, dass ich einen Hexer brauche, um meinen Freund dazu zu bewegen mich unwiderruflich zu lieben und süchtig nach mir wird. Sie lacht weiter und weißt uns den Weg zu einem Haus, wo ein Briefkasten hängen soll. Aha! Natürlich will ich meine Neugierde sättigen und wir fragen sie nach den seltsamen, getrockneten Viechern mit Haut, ohne Haut, mumifiziert, gross oder klein…einfach grausam und sie gibt uns zur Antwort, dass das alles Opfer für die „Pachamama“ sind. Gerne hätte ich weiter gefragt, aber Ursel drängt, meine Fragerei wird ihr peinlich. Aber immerhin ging sie mit an diesen unheimlichen Ort. Wir suchen die Strassen ab. Kein Haus mit Briefkasten. Kein Hexer. Aber ich will bestimmt nicht einen Mann zur Liebe zu mir zwingen – „wer net will hat ghabt“! Ich brauchte einfach nur eine Ausrede, um Mitleid zu erregen und einen Hexer zu finden – dort angekommen, wäre mir bestimmt was Besseres eingefallen…Grins. Dann müssen wir das Ganze wohl aufschieben…ich habe ja bis zum 29.12. Zeit…bis dahin bin ich in Bolivien!
Nichts wie zurück, mit einem lokalen Bus fahren wir in die Stadt zurück, vorbei an einer Kirche, wo ein grosser Kinderchor spanische Lieder singt, die ich mitträllere und dann nichts wie Abendessen. Wir haben einen Bärenhunger! Ursel bestellt ein ewig scharfes, kaum essbares Pad Thai und ich Ceviche. Meins ist super lecker. Beim Rausgehen will ich dann doch wissen, was für ein Fisch das war, denn ich konnte ihn nicht definieren. Mir wird ganz mulmig, als ich erfahre, was ich gerade verschlungen habe – „Krokodilschwanz“, igitt igitt…Man schneidet zur gewissen Saison den Kaimanen die Schwänze ab, eine Spezialität…Aber keine Panik, sie sterben nicht, ihre Schwänze wachsen wieder nach. Hmmm…ich hätte das nie im Leben gegessen, wenn ich das nicht gewusst hätte…
Wir treten den Heimweg an. Jetzt ist Zeit für relaxen! Was für ein erlebnisreicher und ausgefüllter Tag. Wer hätte das gedacht. Für Reisereports Zeit, aber kein Glück. Mein PC geht nicht an, weshalb auch immer und das Internet ist super langsam. Ich muss mich mal wieder in Geduld üben. Also ab ins Bett!