TARBUCO – Kunst & Textilmarkt abseits der Routen

TARBUCO – Kunst & Textilmarkt abseits der Routen

Sonntag, 25.11.2018

 

Sucre – Tarbuco – Sucre

 

MEIN MOTTO FÜR HEUTE:

DABEI SEIN IST ALLES!

 

Was heisst hier ausschlafen? – mit dem „Touribus“ nach Tarbuco – Marktleben in Tarbuco – Textil- und Kunsthandwerkermarkt in Tarbuco – Strassenleben in Tarbuco – zurück nach Sucre bei Sonnenschein – Relaxen im Park – Abendessen mit Ursel

 

Nix da mit ausschlafen heute, der Wecker klingelt und ich nicke trotzdem nochmals kurz ein aber wache genau noch rechtzeitig auf, um mich zu richten und zur Kathedrale zu wetzen, wo die Abfahrt des „Touribusses“ ist. Heute geht es nach Tarbuco, ca. 65 km westlich von Sucre. Das kleine Örtchen ist sehr wohl bekannt für seinen Textil- und Kunsthandwerkermarkt am Sonntag. Tabuco wurde 1578 gegründet und ist sehr, sehr alt. Fast alle Häuser sind noch aus Lehmziegel gebaut.

 

Der Weg dorthin geht durch eine einmalige, unendlich gebirgige Landschaft. Der weite Horizont erscheint in allen Blautönen mit einer leichten Nebelfront. Das Landschaftsbild hält sich in sämtlichen Braun- und Ockertönen. Überall sind Lehmhütten oder Bauernhöfe, mit ringsum bewirtschafteten Feldern. Jeder Hof hat einen eigenen kleinen kuppelförmigen Backofen aus Lehm und die Pinkelhütten stehen nahe beim Hof. Die Kühe und Hühner laufen frei auf den schlammigen, ausgetrockneten Wiesen herum. Alles wirkt sehr ärmlich und man kommt sich vor wie im vergangenen Jahrhundert. Ab- und zu sieht man ein Bauer mit seinem typischen, gewobenen, roten Umhang und Hut oder Mütze, der ein kleinen hölzernen Karren vor sich herschiebt. So fahren wir geschlagene 1,5 Stunden die kurvigen, holprigen Strassen entlang, die uns immer wieder einen unschlagbaren Blick auf die weiten Gebirgsketten freigeben.

 

Das Ort Tarbuco selber liegt in einem Tal. Unser Bus kommt gerade so in den Ort hinein ohne die Dachziegel der niedrigen Lehmhäuser zu berühren. In einem Lokal werden wir alle versammelt und man labert uns voll, wo man am besten seine Textilien kaufen soll und dass man sowieso nur in diesem Lokal essen kann, weil die anderen mehr oder weniger schlechtes Essen anbieten und so weiter und so fort. Ich stehle mich davon, denn auf diesen Quatsch habe ich wirklich keine Lust, denn wir haben eh nur ca. 3 Stunden Zeit. Ich begebe mich lieber direkt auf den Markt.

 

In der Provinz von Tabuco leben auch immer noch sehr viele ethnische Minderheiten. Das Interessante an dem Markt am Sonntag ist, dass alle von weit her angereist kommen, um ihre Ware anzupreisen oder Tauschhandel zu betreiben. Witzig, wenn man da so die asbach uralten Lastwägen mit den hölzernen Trageflächen etwas abseits in den Strassen sieht, die alle herantransportieren und irgendwann wieder nach Hause bringen. Das Faszinierende für mich ist, dass die ethnischen Minderheiten immer noch seit Jahrzehnten ihre einmaligen, sehr selten zu sehende Trachten tragen und auf dem Sonntagsmarkt sogar ihr bestes „Outfit“. Für mich ist das eigentlich der wahre Grund, nach Tarbuco zu kommen. Die ganzen Touris stören mich da nicht, da ich eh immer da „hinwandele“, wo sich eh kein normaler Mensch hintraut.

 

Auf dem Weg zum eigentlichen Markt komme ich an Strassenzügen vorbei, mit vielen fast zerfallenen Lehmhütten. Ab- und zu sitzt ein alter Mann oder Frau vor der Türe und nickt mir zu. Nach guten 5 Minuten bin ich auf dem Obst- und Gemüsemarkt angekommen, wo nebenbei auf der Strasse alles Mögliche verkauft wird, wie beispielsweise Auto- oder Lastwagenteile, Eisenwaren, Felle, Telefone oder einfach „Second Hand“ Waren, um zumindest noch an ein bisschen Geld zu kommen oder es wird sogar Ware getauscht. Es geht generell drunter und drüber, fast jeder trägt Kisten, Körbe oder schwere Säcke mit Reis oder Kartoffeln gefüllt mit sich herum – man merkt sofort, dass man nur 1x in der Woche oder vielleicht sogar nur 1 x im Monat hier herkommt, um sich mit Vorrat einzudecken.

Ich habe nur Augen für die „bunten Outfits“ (Trachten) der ethnischen Minderheiten, die man mir Worten kaum beschreiben kann. Die alten Männer tragen meistens schwarze Kleider, haben aber einen rot gewobenen Umhang um und einen super seltsamen Hut aus Leder, der bunt bestickt ist und aussieht wie ein Helm. Einige haben eine bunte Strickmütze auf dem Kopf oder einfach eine „moderne“ Schildmütze. Die Trachten sehen generell sehr alt und verbraucht aus und die Gesichter wie braun gegerbtes Leder mit unzähligen Falten. Die Frauen tragen kurze Faltenröcke mit einer Art Petticoat, das am Rande mit Spitzen besetzt ist. Meistens haben sie selbstgestrickte Stulpen an und eine mit Spitzen besetzte Bluse oder einfach nur einen gewebten, meistens roten Umhang mit Streifen und Symbolen, der mit einer grossen Anstecknadel zusammengehalten wird. Auf dem Kopf eine zu kleine, schwarze Melone, einen Sonnenhut oder eine lederne, nostalgische „Bademütze“, die über das Ohr gezogen ist. Alle Frauen tragen Zöpfe, die am Ende bunte Bommeln haben. Es gibt viele unterschiedliche Trachten von den Farben oder Webmustern her. Jeder der Frauen trägt grundsätzlich auf dem Rücken eine handgewobene Decke, in der meistens die Einkäufe verstaut sind oder ein Baby versteckelt ist. Manchmal schaut einem auch ein kleiner Wuschelkopf aus dem Bündel an. Das ist dann mehr als zuckersüss und wahnsinnig goldig.

Wie auch immer, ethnische Minderheiten faszinieren mich total, vor allem weil sie sich irgendwie dem modernen Zeitalter widersetzen.

Leider ist es mit dem Fotografieren gar nicht so leicht gemacht, denn wie ich schnell feststellen muss, lieben diese Menschen es überhaupt nicht, abgelichtet zu werden. Auch nicht wenn man sie fragt oder ihnen Geld anbieten möchte, was ich tunlichst vermeiden möchte. Ich habe meine Kamera um den Hals hängen und den Verschluss mit einem Handschuh abgedeckt, weil ich die Verschlusskappen grundsätzlich immer verliere oder sie mir mein Objektiv verkratzen. Irgendwie bin ich traurig, dass ich nicht auf dem Obst- und Gemüsemarkt fotografieren kann, ich will die Regeln nicht verletzen und akzeptiere ihr „NEIN“.

Bei einem der Essstände esse ich trotz Vorwarnung auf mangelnde hygienische Verhältnisse eine sehr mundende, warme Gerstensuppe. Alle ringsum schauen mich nur an, hier scheint nie ein Touri zu essen – klar doch, wenn die Reisebegleiter davor warnen und zudem erst gar nicht erwähnen, dass es hier ausser dem Kunsthandwerkermarkt auch noch ein anderer Markt gibt! Mein Beschluss steht fest – ich will Fotos, also muss ich zur Initiative greifen und mein Teleobjektiv von 300 mm zur Hilfe ziehen. Das merkt keiner und das tut keinem weh. Tut mir leid, manch einer findet vielleicht diese Einstellung von mir in diesem Moment nicht gut, aber ich kann es einfach nicht sein lassen. In Asien will jeder Fotos und fragt einem sogar, hier ist es genau umgekehrt. Also positioniere ich mich in einer Ecke und verweile ganz gemütlich, bis die richtigen Schnappschüsse sich ergeben. Man braucht allerdings sehr viel Geduld und ein trainiertes Auge, wie ein Jäger auf Wildfang.

Nach einigen gelungenen Aufnahmen geht es für mich weiter zum Plaza Principal, wo auch die Kirche und das Rathaus stehen und der eigentliche Kunsthandwerker- und Textilmarkt stattfindet. Schon überwältigend, welch ein handwerkliches Geschickt diese Leute hier haben. Handgestrickte Pullis, Handschuhe, Mützen, Strümpfe, Jacken etc. und gewobene Umhänge, Teppiche, Schals, Kissenbezüge, Püppchen und vieles mehr. Auch ihre Trachten gibt es zu kaufen und zwischendrin immer Stände, an denen man sich eine Kleinigkeit zum Essen kaufen kann.

Das Umland von Tarbuco ist landschaftlich wunderschön und recht hügelig. Mit dem strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel mit weissen Wölkchen kommt es noch besser zur Geltung und macht den Ort noch schöner als er ist. Nach guten 3 Stunden habe ich so gut wie alles gesehen und gehe Richtung Treffpunkt Lokal, wo als ich ankomme zwei junge Mädels einen traditionellen Tanz aufführen.

Kurze Zeit später geht der Bus wieder zurück nach Sucre, wo wir kurz nach 15 Uhr ankommen. Sucre an einem Sonntag sollte jeder vermeiden. Alles ist geschlossen, sogar der Markt, Restaurants, Museen und zu guter letzt die Kirchen – stellt sich dass einer vor! Bei uns in Europa sind zwar die Märkte zu aber alles andere genannte hat geöffnet, denn Sonntags gibt es die meisten Besucher und „Kapitalisten“. Sonntag zählt in Bolivien zu einem absoluten Ruhetag, es sei denn es ist Sonntagsmarkt. Also, am besten ein Tag vorher ein Lunchpaket vorbereiten bevor man den Hungertod stirbt.

Selbst  als ich Ursel gegen 18 Uhr treffe kostet es uns fast eine gute Stunde Zeit, um ein Lokal für unser verfrühtes Abendessen zu finden. Schliesslich essen wir nicht gerade traditionsreich – was anderes bleibt uns nicht übrig: Forelle für die Ursel und ich probiere den Suschi, der gar nicht mal schlecht schmeckt – und ich bin immer noch ohne Magenverstimmung! Ich begleite Ursel noch zu ihrem Hostal, dass sehr schnuckelig und sogar einen Pool hat, bevor ich mich ziemlich müde auf den Heimweg zu meinem Reich mache. Was für ein eindrucksvoller Tag!

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