
AMAZONAS – VERLOREN IM DSCHUNGEL
Mittwoch, 14.11.2018
Iquitos – Amazonas
MEIN MOTTO FÜR HEUTE:
LEBE DEINE TRÄUME – DER AMAZONAS IST EINER VON IHNEN!
SCHON ALS KLEINES KIND SAH ICH MICH SCHON AM AMAZONAS MIT DEN UREINWOHNERN TANZEN, MIT DEN KINDERN SPIELEN, AN DEREN LEBEN TEILHABEN. JETZT IST ES SOWEIT! EIN TEIL DAVON SEIN!
Frühstück im Morgengrauen – Aufbruch zum Ufer des Amazonas – Delfine auf Beutefang – Ankunft in unserer Lodge – den Dschungel erkunden mit spielenden Kindern – Mittagessen auf kreolisch – Aufbruch zur SOS Recruiting Area von im Amazonas lebenden Tieren – Besuch eines Dorfes am Amazonas – Vogelbeobachtung – Meditation & Sonnenuntergang – im Reich ohne Licht – Dschungelwanderung bei Nacht
Endlich! Endlich ist es so weit! Nachdem ich in aller Frühe gefrühstückt habe, steht schon Manuel vor der Türe, um mich vom Hostal abzuholen und von der Agentur aus ein Tuk Tuk zu Miraflores zu nehmen, von wo aus die „Amazonas Taxis“ in „See stechen“. Wir holen uns noch schnell an den Marktständen ein kleines Picknick – wer weiss wie lange unsere Reise dauert, und schon geht es los.
Wir haben Glück, der Regen hat sich gelegt und allmählich hellt es auf, wenn wir Glück haben, wird heute ein schöner, sonniger Tag. Der Amazonas hat eine ziemlich reissende Strömung, leicht für uns, weil wir mit der Strömung fahren. Links und rechts von uns sind viele Stelzendörfer direkt am Flusslauf und es herrscht reges Treiben. Manuel erzählt mir alles Mögliche über den Amazonas, sage und schreibe über 7600 km lang. Man braucht eine Ewigkeit ihn komplett zu durchfahren. Er durchquert sämtliche Länder in Südamerika bevor er irgendwann in den grossen Atlantik fliesst. Teilweise hat er sogar riesige Welle, auch hier kann es ein Tsunami auf dem Amazonas geben! Wir reden auch über Schlangen, und dass Ureinwohner schon Annacondas im Dschungel gefunden haben, die über 56 m lang waren! Kaum zu glauben! Einmal hat sich sogar eine Wasserschlange in den Motor eines Bootes verfangen und das Boot, auf dem auch Manuel war, fast zum kentern gebracht. Die Touristen auf dem Boot bekamen Panik, den die Schlange versuchte nach den Passagieren zu schnappen, was ihr aber nicht gelang, da das Boot einfach zu hoch war. Der Amazonas wirkt beruhigend, wenn er so vor sich hinfliesst und man das ganze Leben, das sich auf ihn abspielt beobachten kann. Wir biegen in einen Flussarm des Amazonas ab, in dem allmählich die Zivilisation zu Ende geht. Man sieht links und rechts nur noch Schilf und bis zum Horizont nur Dschungel und breite Flusslauf.
Was mich fasziniert, dass man nicht lange nach Delfine Ausschau halten muss, man muss nur dem Wasser ein bisschen mehr Aufmerksamkeit spenden und siehe da sie sind da. Unweit von unserem Wassertaxi begleiten uns zwei kleine, ziemlich kugelige graue Delfine. Mit Pfeiffgeräuschen, versucht unser Bootsführer die Delfine in Schach zu halten und sie begleiten unser Boot ziemlich lange – aber ihre Beutesuche scheint ihnen wichtiger zu sein.
Nach guten 1,5 Stunden kommen wir am ersehnten Ziel an, unsere Amazonas Lodge direkt am Ufer des Amazonas. Wir gehen durch den Schilf über Bretter, die uns bis kurz vor die Lodge führen. Von Juni bis Ende Oktober ist auch hier alles unter Wasser – deswegen steht die Lodge auf Stelzen. Super urig. Ich bin überrascht, denn ich hatte mich schon darauf eingestellt, bei den Einheimischen und den Stämmen zu übernachten. Aber die Eigentümer der Lodge sind aus einem der Stämme und haben die Logde 1935 erbaut und sie wird von einer 7 köpfigen Familie betrieben. Alles ist hier sehr, sehr einfach und ohne grosse Ansprüche, aber ich finde es sehr romantisch und für mich bisher der schönste Platz, an dem ich mich zum Träumen niederlegen durfte. Die Ruhe und Gelassenheit tut einfach gut – wenn ich mich wahrscheinlich noch deftig daran gewöhnen muss, denn hier ticken die Uhren anders. Und das Beste von allem: Ich bin ganz alleine hier – ohne jegliche andere Menschen ausser der Famile und Manuel! Exklusiv! Wo hat man denn das? Ich fühle mich wie die Dschungelkönigin…es fehlt nur noch der König meines Herzens. Mein Bretterschlag, der mir als Bett dient, ist gemütlich, wenn auch nur ein kleines Bett – aber ich bin ja auch alleine. Mein Zimmer ist komplett mit Moskitonetzen an den Fenstern und unter dem Dach geschützt. Ein eigenes Bad habe ich auch! Was will ich mehr?
Vom Bett aus schaue ich auf den Amazonas und um mich rum sind die ganzen Geräusche, die man halb so im Dschungel antrifft. Vogelgezwitscher, Grillen, Frösche, sogar die Schlangen hört man….und die Moskitos – dessen Summen mich allerdings ein wenig in Panik versetzen – Malaria. Laut Manuel gibt es sie nur noch ganz tief im Dschungel, aber nicht mehr am Rande des Amazonas.
Endlich gibt auch die Sonne ihr bestes…Ihr könnt Euch gar nicht vorstellen, wie brühend heiss es ist, wenn die Sonne sich erst Mal zeigt. Strahlendblauer Himmel und 36 Grad Celsius. Nachdem ich mein Zimmer mit noch einem Moskitonetz ausgestattet hat – man weiss ja nie, mache ich mich auf den Dschungel um mich herum ein wenig zu erforschen. Das kleines Mädel und der kleine Junge von der Familie sind sofort dabei – schon gut wenn man spanisch spricht. Das Mädel hat einen toten, kleinen Fisch in einem Becher und präsentiert mir in stolz und der kleine Junge zeigt mir seinen kaputten Ball und schiesst ihn durch die Gegend, während sie mich auf meine kurze Dschungeltour begleiten bis es Mittagessen gibt. Sie stellen mir ihre ca. 1 Monat alte Hundewelpen vor, essen irgendeine Frucht, die von einem Baum stammt und überall auf dem Boden liegt und präsentieren mir Stolz ihr zuhause, das auf unserem Weg liegt. Plötzlich erklimmt die Kleine einen Baum. So was habe ich bisher noch nie gesehen. Wie ein Affe schwingt sie sich an den Ästen und klettert in kürzester Zeit in ca. 5 m Höhe. Der Junge steht nur da und klatscht in seine Hände, ich hingegen finde das nicht so amüsant, weil ich Angst habe, dass sie herunterfällt aber die kraxelt fleissig weiter. Nach guten 30 Minuten trete ich dann den Rückweg an, die Kinder haben auch keine Lust mehr…es ist einfach zu warm, ca. 36 Grad.
Genau zur richtigen Zeit komme ich zurück und Manuel und mir wird ein herrliches, kreolisches Mittagessen serviert. Reis mit gegrillten Kochbananen, einer super wohlschmeckenden Sosse aus frischen Tomatenwürfeln, sämtlichen undefinierbaren Kräutern, Zwiebeln und ein Fischfilet von einem Amazonasfisch, der bis zu 3 m gross wird. Fische werden hier in ihren Blättern direkt auf dem Holzgrill zubereitet und bekommen dadurch einen einmaligen Geschmack. Der Fisch ist super zart und göttlich. Zum trinken gibt es frisch gepressten Orangensaft und als Dessert tropisches Obst. Die Küche Perus ist sooo vielfältig und einfach einmalig.
Bald geht es los den Dschungel um die Logde und um die umliegende Zivilisation & ein kleines Dörflein zu erforschen. Durch die noch vom Regen morastigen Wege machen uns das Vorankommen ziemlich schwer. Die Urwaldgeräusche begleiten uns – besser als der Strassenverkehr & Smog in Lima. Viel besser! Wir überqueren kleine Bächlein auf Holzstegen, schlagen uns den Weg durchs Gebüsch frei und sind nach einer guten halben Stunde in einem kleinen Dorf, das aus alten Stelzenhäuschen besteht, ein verlassene, zerfallene Kirche, die jetzt als Abstellschuppen dient und ein riesigen Fussballplatz. An einem Kiosk sitzen ein paar Einheimische und ein paar männliche Touris, die schon seeehhhhrrrr angeheitert sind. Der Tisch vor ihnen ist schon voll mit leeren Bierflaschen…die scheinen hier irgendwas zu feiern, wir finden das Ganze am helllichten Tage ganz amüsant – wahrscheinlich knallen sie sich hier die Köpfe vor Langeweile zu.
Wie auch immer, nicht unweit vom Kiosk befindet sich ein Tierrettungszentrum „El encanto de Ronny“, in dem aufgefundene, unter Artenschutz verletzte Tierchen wieder auf Trab gebracht werden. Teilweise wurden sie auch als Maskottchen bei Familien gehalten, wie beispielsweise Papageien oder Faultiere. Auf dem Weg in den Zoo kommt uns gleich ein Ameisenbär entgegen, den habe ich auch noch nie life gesehen, ganz schön gross. Während unseres gesamten Besuches begleiten uns Eichhörnchenaffen (Monos ardillas), winzige Äffchen, die auf mir herum turnen…eigentlich will ich sie fotografieren aber sie sitzen unentwegt vor meiner Linse! Wir sehen noch uns einen aggressiven Kaiman, eine seltene Wasserschildkröte Mata Mata, Landschildkröten, Papageien, klauende Choro Affen (übersetzt: klauende Affen), Tukane und ein verliebtes Faultierpärchen, dass ganz verschlungen und benommen auf einem Ast sitzen und nicht die Krallen von einander lassen können. Irgendwann kommt dann das Weibchen zu mir und schlingt die Arme um mich. Wie rührend! Ich graule sie und sie schliesst ganz besinnlich die Augen. Wir setzen sie bald wieder in der Nähe ihres Schatzes ab. Sie braucht wahrscheinlich für die 3 Meter zu ihm eine gefühle Ewigkeit. Aufgrund ihrer Blätternahrung sind Faultiere immer in Trance und am Schlafen. Um sich fortzupflanzen müssen sie davon absehen dieses Zeug zu fressen, sonst wird es „Sex“ in Zeitlupe! Grins.
Bald geht es weiter durch das Dorf und einen langen Pfad entlang, der uns zu einem Seitenarm vom Amazonas bringt. Wir sehen uns ein wenig das Kommen & Gehen von Balsas (Holzkanus) an und treten wieder unseren Weg zurück zur Lodge an. An der „Trinkbude“ sitzt immer noch der Schlag Männer, in der Zwischenzeit bis zum Geht nicht mehr berauscht. Zwei Deutsche, wie es sich herausstellt, die den Abschied vom Amazonas feiern. Lustige Gesellschaft!
Als wir zurück in der Lodge sind geht schon fast die Sonne unter. Wir setzen und auf ein Bänkchen mit Blick auf den Amazonas und schauen uns das Naturschauspiel des Sonnenuntergangs an! Grossartig, wie sich alles in rotes Licht taucht und sich im Amazonas wiederspiegelt. Meditation ist angesagt. Eine geschlagene Stunde verbringen wir ohne zu reden auf unserer Bank und lassen einfach sein was ist, ohne gross nachzudenken und den Moment wahrnehmen. Spirituell und in uns gekehrt.
Um aus Dunkelheit Licht werden zu lassen, dienen hier die Stromgeneratoren, die allerdings nur stundenweise am frühen Morgen oder ca. 2 Stunden am Abend angeworfen werden. Es wird Zeit für Manuel, diese Tätigkeit auf sich zu nehmen, aber leider funktioniert das Ganze nicht richtig und wir fummeln mit Handys & Taschenlampen rum um festzustellen, dass die Jungs von der Lodge ausversehen Benzin statt Diesel dem Generator zum futtern gaben. So geht alle 5 Minuten das Licht wieder aus und wir sitzen im Dunkeln….wirklich im Dunkeln. Man kann uns gerade noch unser wieder mal göttliches Abendessen servieren und aus und vorbei mit es werde Licht.
Aber egal, wir werfen uns eh gleich die Gummistiefel an und machen uns auf eine Nachtwanderung durch den Amazonas Dschungel…Durch den Dschungel mit der Taschenlampe auf der Suche nach Abenteuer…Aber eigentlich habe ich gar keine Lust Ungeziffer, die höchst giftig sind oder gefährlichen Raubtieren zu begegnen. Manuels geschultes Auge entdeckt in kürzester Zeit alles was bei Nacht kreucht & fleucht und man eigentlich kaum sehen kann: von winzigen Fröschen bis hin zu Grillen und Taranteln oder Vogelspinnen. Was mich noch mehr in Panik versetzt, der geringste Kontakt mit ihnen ist lebensbedrohlich. Er schildert mir ausführlich was passiert, was passieren würde, wenn uns diese Viecher stechen oder wir mit ihrem Gift oder Ausscheidungen in Berührung kommen könnten. Teilweise ein grausamer Tod, wenn man nicht rechtzeitig die Gegenmittel der Heilpflanzen zu Händen hat. Also ein Pumabiss wäre da der schnellste und schmerzloseste Tod – wer hätte gedacht, dass so kleine Insekten solche Undinge verursachen könnten?
Wie auch immer, nach einer guten Stunde machen wir uns fluchtartig auf dem Rückweg, denn es fängt an zu blitzen und zu Donnern und kaum an der Lodge angekommen, fängt es an in Strömen zu schütten. Die ganze Nacht regnet es ununterbrochen. Regentropfen, die an mein Fenster klopfen…lieber Regen in der Nacht als tagsüber! Immerhin will in den Amazonas nicht im strömenden Regen erleben!