SAN JOSE DE CHIQUITITO – BAROCKMUSIK IM DSCHUNGEL
Sonntag, 23.12.2018
SAMAIPATA – SANTA CRUZ – SAN JOSE DE CHIQUITO
MOTTO:
DEN GLAUBEN NIE VERLIEREN…NIE…!!! JEDEM MOMENT VERTRAUEN SCHENKEN! IMMER ÖFFNEN SICH NEUE TÜREN – ALLES HAT SEINEN GRUND!
Fotos findest Du bei Facebook unter Tina Volz. Danke!
Samaipata – Sammeltaxi aber wo? – Mein Freund der Hund – Retter in der Not – Santa Cruz – San Jose de Chiquito – Empfehlung muss nicht immer das Beste sein – Verloren im Nirgendwo – Mittagessen am Wegesrand – Alternative suchend – Besuch der Mission – Notenblätter als Klopapier – Barockmusik im bolivianischen Dschungel – exklusives Streichkonzert – Bummeln & auf Entdeckungstour – MTV & frühe Nachtruhe
4:45 Uhr. Mein Wecker klingelt. Zeit meine Zelte in Samaipata abzubrechen und mit einem Trufi (Sammeltaxi) Richtung Santa Cruz zu fahren!
Um 5 Uhr stehe ich vor verschlossenen Türen des Büros der Sammeltaxis.
Keine Seele weit und breit. Nur ein Hund, der an mir schnuppert und neben mir auf der Treppe eines mit Holzsäulen abgestützten Porches eines Lokals zu sitzen, um vorm Regen trocken zu bleiben. Herr jeh. Ob ich hier von dem Ort jemals wegkomme? Gesehen habe ich noch nicht alles – vor allem was die reiche Natur und Umgebung betrifft – aber die Missionen der Jesuiten rufen. Da habe ich ja auch einiges vor! Der Hund hat zwischenzeitlich seine Schnauze auf meinen Schultern, während ich mich sitzend an einen der Holzpfähle anlehne. Hmmm…so viel Nähe mit einem Unbekannten will ich nicht und ich stehe auf. Jeder der vorbeigeht wird von ihm angekläfft – der Hund hat echt Beschützerinstinkt.
Ich spreche einen Mann in seinem Auto auf, der darauf wartet, seinen Stand für die Messe, die heute im Dorf stattfindet, aufzubauen. Er weiß auch nicht wo die Trufis sind – Sonntags ist nicht gerade der beste Tag. Weitere 40 Minuten später bietet er mich an, an die Hauptstraße zu fahren, wo mehr Verkehr ist. Ich steige ein in seinen Wagen und kaum vorne an der Hauptstraße scheint man bereits auf mich zu warten. Mein Retter in der Not dieser Mann!
Ein Trufi, der noch nach einer Person mehr sucht um seinen Weg nach Santa Cruz zu beginnen. Sekunden später sitze ich im Sammeltaxi Richtung Santa Cruz mit einem kräftigen Dankeschön an meinen Helfer! Die Fahrt geht durch eine einmalige Naturlandschaft mit Nebelwälder und sehr subtropisch. Ein Fluß rechts neben uns und kleine Wasserfälle linkerhand. All das werde ich definitiv vermissen – es weckt einem der Vergleich zum Paradies – alles so rein, grün und mysteriös. Als wir von einer Höhe von 1700m fast wieder auf Meeresspiegel Niveau angekommen sind, geht es weiter durch Fluss- und Agrarlandschaft und viele kleinen Dörfern. Nach guten 3,5 Stunden erreichen wir Santa Cruz und die Sammelstelle der Trufis.
Für mich ist es ein Versuch wert zu versuchen, heute noch nach San Jose de Chiquito zu kommen – einer der Jesuiten Missionen auf meinem Weg. Habe ich Glück? Ich stelle es erst gar nicht in Frage!
Nach dem Erfragen, welcher Linienbus mich zum Terminal bringt, stehe ich am Straßenrand, versuche einen Bus zu erhaschen, der auch zumindest in die Richtung fährt, 5 Minuten später sitze ich im richtigen Bus und 10 Minuten später bin ich an der Sammeltaxistelle auf meinen Sammeltaxi wartend. Gute 30 Minuten später kann die Fahrt mit 10 Personen losgehen.
Auf nach San Jose de Chiquito! Saftig grün ist die Strecke aber immer nur gerade aus. Der Taxifahrer tut mir leid – es regnet in Strömen und er hat richtig mit der Müdigkeit zu kämpfen bei einer solchen, monotonen Strecke. 295 km mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h. Um 10.30 Uhr ging die Fahrt los, um 14.30 Uhr sind wir da.
Dank eines Kontaktes mit einem Mädel im Minibus, habe ich bereits eine Unterkunft namens Hostal Victoria mitten im Ort neben der Missionskirche. Was für ein Zufall. Ihr Papa holt und vom Busterminal ab und bringt mich sogar bis zum Hostal. Welch liebe Menschen. Aber eine Empfehlung muss nicht immer die Beste sein.
Für gute 12 Dollar habe ich die miserabelste Unterkunft aller Unterkünfte meiner gesamten Reise. Ein einstöckiges Hotel, an dem der Zahn der Zeit nagt und so baufällig ist, dass es jeden Moment einbrechen könnte. Zudem eine Müllhalde seines gleichens. Hätte ich das Mädel, das mir bei der Suche half und ihr Papa nicht an meiner Seite, so wäre ich auf der Stelle umgekehrt! Mein Zimmer ist feucht hoch drei und hellblau in allen Farbtönen, mit einer Decke, die sich teilweise schon löst und das Stroh darunter erblicken lässt. Ein großes Bett mit einer Strohmatratze, ein TV von 1970, ein Vorhang, der den Raum vom WC und der Dusche trennt und immerhin ein Ventilator. Aber alles so verstaubt, als ob in diesen Raum schon seit Jahrzehnten keiner mehr war! Nichts wie raus hier – eine Nacht muss ich hier überstehen! In diesem Moment überfällt mich rigoros mein Heimweh und der Wunsch mit meinen Liebsten zu sein, Andreas & seinen Mann Laurence – ruhe in Frieden, Michael, meinen Eltern…Die Sehnsucht ist sooo intensiv!
Erst Mal was essen und Kräfte zu sammeln und dann sehen wir weiter. Ein Mittagessen am Wegesrand! Alles genauso grausam. Ich sitze in einem heruntergekommen Lokal und esse ein Stück Fleisch, daß mehr Sehnen hat als alles andere. Das zieht mich noch mehr herunter. Ich muss schnell nach einer alternativen Unterkunft suchen bevor mich hier die Sehnsucht verzehrt! Verloren im Nirgendwo – genauso komme ich mir hier vor!
Nicht wirklich gesättigt von diesem zähen Fleisch, mache ich mich auf den Wege nach der Suche nach einer passenden Alternative – anscheinend gibt es in diesem Ort nur Mist für teures Geld! Letztendlich werde ich zumindest fündig gleich um die Ecke – zumindest ist der Empfang deutlich freundlicher und viel versprechender. Es gibt sogar „Steckdosen“ und Internet! Mal schauen ob ich nach dem heutigen Tag überhaupt noch eine weitere Nacht bleiben möchte!
Bleibt für heute noch die Mission der Jesuiten, die Mission de San Jose de Chiquito! Vielleicht frischt sie mich wieder auf! Sie wurde im 17 Jahrhundert von den Jesuiten gegründet und ist Unesco Weltkulturerbe. Eines der einzigsten Missionen aus Stein erbaut und das Innenleben komplett aus Holz geschnitzt. Die Wände sind im Kreuzgang alle bemalt mit Szenen aus dem damaligen Jahrhundert. Das Museum schaue ich mir am besten morgen an, wenn besseres Licht zum fotografieren ist der Innenhöfe ist. Der Innenraum der Kirche ist wahnsinnig schön mit Holz und Malereien dekoriert. Alles riecht nach Holz. Der Altar ein Traum aus Blattgold. Über mir brummen die Ventilatoren.
Einige junge Männer üben sich mit ihren Violinen. Ich frage nach, ob heute Abend ein Konzert stattfindet oder wann Gottesdienst morgen ist. Es ist ein Privatkonzert, das in wenigen Minuten beginnt und ich habe die große Ehre, von einem Reisleiter eingeladen zu sein. Er begleitet eine Gruppe aus Madrid, die sehr große Ambitionen zur klassischen Musik haben.
Mir wird erklärt, dass vor gar nicht all zu langer Zeit, ca. 50 Jahre, 1952, kam der Architekt Hans Roth im Auftrag des Jesuitenordens nach Bolivien. Er sollte die vom Zerfall bedrohten Missionskirchen retten und fand, so sagt man zumindest, Notenblätter als Klopapier in den Plumpsklos. Er entdeckte ein unerkanntes Talent in den Missionen und seiner Bevölkerung, machte sich auf die Suche nach mehr Informationen und fing an diese Talente zu fördern. Und so find die Geschichte an mit Barockmusik im bolivianischen Dschungel. 5000 Notenblätter hat er gerettet. Bei der Restauration der Gotteshäuser kamen in Schränken in den Kirchen, aber auch in offenen Behältern, ungeordnet und verschmutzt, rund 5000 Notenblätter mit Musik aus dem 18. Jahrhundert zum Vorschein. Während der Missionierung im 17 Jahrhundert nutzen Mönche die Tatsache, dass die Chiquitos sich von Barockmusik faszinieren ließen. So konnten die Jesuiten die Bolivianer zu einem nach jesuitischem Verständnis christlichen, bürgerlichen und künstlerischen Leben bekehren. Ohne Schwert. Ohne Zwang und ohne Ausbeutung. Aber mit der Zeit geriet das in Vergessenheit. Die Wiederentdeckung der Partituren hat im Tiefland von Bolivien zu einem neuen Boom der Barockmusik geführt. In den Missionsgemeinden sind zwischenzeitlich Jugendorchester und -chöre entstanden, welche mit Begeisterung die Musik aus dem 18. Jahrhundert einüben und aufführen.
Und ich habe die Ehre das ganze beizuwohnen!
Ein exklusives Streichkonzert! Zur richtigen Zeit am richtigen Ort! Alles hat seinen Sinn! 6 Geigen und eine Violine verzaubern vor dem Altar die Kirche in göttliche Klänge! Ich bin sprachlos! Unbekannte Barockmusik aber auch sehr bekannte & vertrauliche Noten versetzen mich ins Träumen! Was 7 Musiker alles mit ihren streichen, dass über die Saiten gleitet, verursachen können!
Wow! Das Ganze rettet meinen Tag – ich bin stolz dabei zu sein!
Nach diesem einmaligen Erlebnis mache ich mich erstmal auf Entdeckungstour der Umgebung und bummele durch die Strassen des Örtchens. Kaum vorstellbar, dass es vor knapp 10 Jahren noch keine Straße hierher gab – nur eine Schotterpiste. Mit 12 Stunden Fahrt von Santa Cruz kam man in dieses verschlafene Örtchen, dass zu dieser Zeit nur aus Sandpisten bestand und ohne jegliche Elektrizität – nur Generatoren am Abend für 1-3 Stunden! Die Häuser sind alle einstöckig und aus Lehm erbaut. Alle haben geschnitzte Holzsäulen mit einem Vordach und die Hauswände sind mit Ocker und Kaminrot bemalt, was den Ort sehr sympathisch und ansehnlich macht. Alle Fenster sind mit Holz vergittert – und bekommt man eine Chance in die Häuser hineinzuschauen, wird einem wahr, wie ärmlich die Menschen hier leben. In einem Raum findet das gesamte Leben statt! Vom Kochen, leben bis hinüber schlafen! Alles sehr ärmlich – auch die Märkte ein wenig außerhalb des Dorfes.
Mit bleibt nichts anderes übrig, als zu meinem Hostal zu gehen. Es ist zwischenzeitlich dunkle Nacht und irgendwo muss ich ja schlafen. Die Steckdose im Zimmer hat Wackelkontakt und ich bin laufend am versuchen, mein PC am Laufen zu halten und mein Handy zu laden. 20 Uhr. Zu früh für das Bett, zumindest läuft mein TV und ich schaue MTV während ich Bilder von meiner Reise hochlade und aussortiere. Der Ventilator und die eiskalte Dusche halten mich vom Schwitzen fern in diesem tropischen „Paradies“. Bald ins Bett heißt es da nur und morgen so schnell wie möglich weg von diesem Hostal.