MOCOA – KARNEVAL OHNE ENDE OHNE GUERILLA & FARC, FEST IN DER HAND DER REGIERUNG
Sonntag, 06.01.2019
MOCOA
MOTTO:
DAS LEBEN IST WIE EIN FLUSS – LASS DICH EINFACH TREIBEN…
Motorradtransfer im Eiltempo – Baden im Fluss wie zu Urzeiten – Meditation am Fluss des Lebens – Barbeque am Fluss – Karneval in Mocoa – Ende gut alles gut – Fete? Salsa? Wirklich? Späte Nacht
Nach dem einigermaßen späten Abend, lasse ich den Tag heute ruhig angehen. Allerdings werde ich vom Trubel im Hause geweckt – direkt an meinem Zimmer sind die Küche und die Lounge. Bereits um 8 Uhr scheint das ganze Haus wach zu sein und so quäle ich mich aus meinem Bett um meinen Tag zu beginnen. Erst mal frühstücken – was in Kolumbien so ähnlich wie ein Mittagessen ist, mit Suppe & Hauptgang. Ich sitze auf einer überdachten Terrasse und schaue über den Dschungel. Im Hintergrund rauscht ein Fluss. Natur pur. Ich habe mich entschlossen, heute am Karnevalsumzug teilzunehmen – was ich ja eigentlich von Anfang an vorhatte, als ich in Richtung Süden flog – und letztendlich reizt es mich mehr als in Pasto selber – viel authentischer. Der Umzug geht um 14 Uhr los – also hab e ich noch genügend Zeit, endlich mal wieder in Kontakt mit meiner Familie zu treten und mit einer guten Freundin zu telefonieren. Danach geht es ab zu einem Fluss. Blanca Nuabe will mich dorthin begleiten – das scheint ja dann nicht weit zu sein! Schliesslich findet sie doch nicht die Zeit und bittet einen Freund mir den Weg zum Fluss zu zeigen.
Was ich nicht weiss ist, dass ich Sekunden später wieder auf einem Motorrad sitze. In einem radenden Tempo, bringt mich der junge Herr Richtung Fluss in einem Eiltempo, das zu wünschen übrig lässt. In Badeklamotten rutsche ich förmlich hinter im auf dem Sitz hin – und her und kann wieder mal beten, dass die Fahrt bald vorüber ist. Das ganze wieder selbstverständlich ohne Helm. Ich laufe freiwillig zurück! Der Fluss hat riesige Steine und die rasenden Stromschnellen schießen förmlich den Hang hinab. Ich suche mir ein schönes Plätzen auf einem Stein und gehe wortwörtlich baden. Das Wasser ist allerdings nicht so tief, aber ich begnüge mich damit, mich ins Wasser zu legen, mit dem Rücken an einen Stein gelehnt. Das Wasser ist sehr erfrischend und kühl. Wie entspannend das ist! Baden im Fluss wie in Urzeiten! Schade, dass man heute bei uns Luxuseinrichtungen braucht…Badespass und Badelandschaften, wo man teueres Geld bezahlt, um das alles zu erleben. Und ich bin hier mitten in der Natur und genieße mehr das Ursprüngliche als den ganzen Luxus!
Zeit zum Meditieren im Fluss des Lebens und die Fortsetzung auf einem Stein mit viel Sonne auf mir zum trocknen. Meine Augen sind geschlossen und ich höre dem Rauschen des Flusses zu. So ensteht das Motto des heutigen Tages: Das Leben ist wie ein Fluss, lass Dich einfach treiben…vieles kommt zu uns, ohne dass wir darüber nachdenken, warum denn auch? Leben wir in dem Moment…vieles können wir eh nicht im hier und jetzt beeinflussen – alles genießen wir lieber bewusst, was jetzt gerade um uns passiert! So sitze ich eine gute, geraume Zeit auf dem Stein und lasse den lieben Herrgott einen guten Mann sein. Natürlich bin ich nicht alleine, einige Einheimische sind auch da und ein Paar braust sogar mit einer riesigen Luftmatratze auf den Stromschnellen den Fluss hinunter – aber das stört mich einfach nicht. Ich bin mit mir – und das ist gut so.
Genau gegenüber von dem Fluss haben Einheimische einen Steingrill aufgebaut, über dem Fisch und Fleisch hängt. Sie verkaufen ein Mittagsmenu – oder besser gesagt eine Barbeque. Mitten in der Natur auf die einfachste Weise. Schade, dass ich schon gegessen habe…ist ja gerade einmal nur 2 Stunden her.
Als ich trocken bin mache ich mich auf dem Weg zum Hostal, wozu ich eine gute halbe Stunde benötige, aber ich genieße den Weg zurück in der freien Natur mit dem Flusslauf neben mir. In Minuten bin ich umgezogen und fahre mit einem Einheimischen Bus Richtung Stadt zum Karnevalsumzug, der um 14 Uhr beginnen soll. Luis und Blanca Noebe wollen nachkommen und wir wollen uns bei Mustafa treffen. Leider ist Mustafa im Tiefschlaf und hört mein Klingeln nicht, auch nicht meinen Anruf. So ziehe ich alleine los zum Karneval. Unterwegs noch ein paar Snacks, wie zum Beispiel gefüllte Kartoffeln mit Fleisch – Kartoffelmasse wird zu Bällen geformt, klein gehacktes Fleisch, Erbsen und Kräuter werden hinzugefügt und das Ganze wir dann frittiert. Super lecker aber sehr fettig. Dann werfe ich mich in Schale, genau wie fast am Abend zuvor: ich werfe eine Einwegregenjacke über, ziehe ihre Kaputze über den Kopf, setze meine Schildmütze auf, lege meinen Mundschutz an und meine Sonnenbrille. Jetzt kann mich jeder mit Farbe oder Schaum besprühen, Hauptsache das Ganze geht nicht in die Augen oder den Mund und meine Klamotten muss ich so auch nicht waschen! Natürlich sehen die Einheimischen immer noch, dass ich ein GRINGO bin (Ausländer) und viele lachen ohne Ende als sie mich sehen und besprühen mich erst recht mit Schaum oder werfen Farbe und Mehl auf mich. Es ist göttlich das ganze Städtchen versammelt zu sehen. Alle warten auf den Umzug. Die Strasse ist schon weiß vom Mehl, was sie unter anderem auch gegenseitig auf sich werfen. Viele Mehlsäcke stehen am Straßenrand und so gut wie alle haben riesige Sprühdosen in der Hand und gehen auf Sprühjagd – und wenn das Mehl danach kommt wird es richtig klebrig. Super belustigend, selbst vor der Polizei hat keiner Erfurcht, die werden genauso bespritzt und eingestaubt wie alle anderen. Auch der Karnevalsumzug wird zum Opfer und alles was kreucht und fleucht. Der Umzug selber ist orgineller als in Pasto – alles nicht so hochtrabend und natürlicher. Einfache aber einfallsreiche Kostüme und Umzugswagen, die um ein Fahrrad oder Motorrad rumgebaut sind und manuell betätigt werden, wie beispielsweise ein Drache, dessen gelenkiger Körper mit Drahtseilen von Hand bedient wird – wie eine Marionette bewegt er sich. Oder ein Pegasus, dessen Flügel mit Hilfe eines Holzsteckens immer wieder von einem Jungen nach oben gehoben werden, der auf dem Umzugswagen sitzt. Bonbons werden keine geworfen. Es herrscht Stimmung hoch drei und überall fliegt Mehl, Farben & Schaum durch die Gegend. Nach guten 3 Stunden verabschiede ich mich…genug für heute. In meinem Regencoat schwitze ich – am besten erst alles ablegen, wenn ich zurück bin. Man wird sogar vom Motorrad oder Auto aus bespritzt – hier ist keiner sicher! Seltsamerweise nimmt der Bus uns alle mit – selbst wenn wir noch so voll von Farbe und Mehl sind. Das ist eben Karneval. Alle werden toleriert! Nichts wie ab ins Hostal und duschen – und dann Zeit für Euch und meine Reports, Fotos etc…Ende gut alles gut – so habe ich zumindest gedacht, als ich meine Reports schreibe und noch meine Fotos sortieren will, als es an die Türe klopft. Hmmm…wer mag das sein? Man will mich abholen, um auf einer Fete mit dabei zu sein? Wow! Ich vergewissere mich, dass es auch wirklich kein Karneval ist – auf Mehl & Schaumgespritze habe ich absolut keine Lust! Luis Freund nickt nur und verspricht, kein Mehl & Schaum! Nachdem ich frisch geduscht und alle meine Klamotten gewaschen sind, habe ich darauf wirklich kein Bock. Aber Salsa? Wirklich? In Sekunden bin ich angezogen und mache mich auf den Weg….oh je…schon wieder mit einem Motorrad und schon wieder ohne Helm! Die rasen hier wie die Verrückten. Auf dem Rücksitz muss ich meinen Abholer mehrmals ermahnen, er meint nur „Tranquila“ (immer mit der Ruhe). Irgendwann sind wir dann bei Mustafa und tanzen mit der ganzen Meute von einem Tag vorher ohne Ende Salsa & Bachata. Ich tanze mit allen Männern, die anwesend sind und es klappt wie am Schnürchen – man hat mir ja den Kolumbianischen Salsa gelehrt – aber viele in Europa meinen, ich tanze anders oder falsch. Jetzt bin ich mir ganz sicher, dass man mir schon immer die richtigen Schritte beigebracht hat – eben kolumbianisch und kubanisch und nicht spanisch…wusste ich es doch! Alle sind schon ganz gut betrunken…Bier und ab- und zu ein Aquadiente mit viel Wasser.
Man braucht hier keine Bar oder Disco um zu feiern. Man stellt einfach die Lautsprecherboxen vor die Haustüre, ein paar Plastikstühle, Sixpacks, Aquadiente (Anisschnapps) und los geht’s. Irgendwann wollen sie dann doch noch auf das Karnevalskonzert gehen, wo auf einem Festgelände alle Art Latino Musik gespielt wird. Ohne Schaum und Mehl? Jaaaaaa….also ziehe ich mit aber innerhalb von wenigen Sekunden werden wir wieder einmal Opfer von Mehl & Schaum, als wir unterwegs zum Festgelände sind. Ich bin echt genervt und will nur noch ins Hostal – die Neugierde veranlasst mich dann doch dabei zu sein. Alle dort sind betrunken bis zum geht nicht mehr – und werfen weiterhin mit Mehl oder spritzen mit Schaum…wie das bloss die Polizei aushält, die stehen an jeder Ecke und passen auch, dass ja nicht die FARC oder die Drogenmafia plötzlich einen Angriff unternimmt. Polizeipräsens ist überall in Kolumbien, daran muss man sich echt gewöhnen! Überall Kontrollstellen, egal wo! Bald will ich nur noch nach Hause und einer der Freund von Luis fährt mich im Schneckentempo a la Zickezack nach Hause. Er verspricht mir hoch und heilig, dass er absolut nichts getrunken hat – aber da bin ich mir nicht so sicher! Ich komme heil im Hostal an…eine späte Nacht, aber man darf ja auch mal feiern, oder?